Mensch Schweiz

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Texte fürs Magazin

 
 
Neutral sein oder nicht neutral sein, das ist hier die Frage
 
«Die Schweiz ist ein verdammt kleines Land!», sagte er.
«Flächenmässig ja, aber immerhin ist es ein Land, das Grosses hervorgebracht hat», sagte ich.
«So? Und woran oder an wen denkst du dabei? An Wilhelm Tell vielleicht? Der hat in Fleisch und Blut gar nie existiert!»
«Als Figur vielleicht nicht, aber gewiss hat es jemanden gegeben, der so mutig war wie er.»
«Das mag sein.»
«Man sollte jedenfalls die Grösse eines Landes nicht einzig an ihrer Flächen- oder Bevölkerungszahl, sondern an ihrer Geschichte messen.»
«Trotzdem, die Schweiz ist verdammt klein! Ihre Neutralität hingegen eine wirklich grosse Sache. Erstaunlich. Wobei, es ist keine Kunst, sich neutral zu geben, wenn man ein so kleines Land ist! Stell dir vor, Amerika und die USA würden plötzlich in jeglicher Hinsicht auf Neutralität beharren. Das würde man ihnen wohl ziemlich übel nehmen!»
«Somit bewahrheitet es sich, dass klein sein auch seine Vorteile hat.»
«Nicht ausschliesslich. Man könnte nämlich in einem Krieg rasch besetzt werden! Wollten die Lybier die Schweiz nicht einst annektieren?»
«Lächerlich, wenn man sich die Distanz vorstellt. Aber zur Erläuterung: Ganz so war es nicht, und zudem wollten nicht die Lybier Macht demonstrieren, sondern Gaddafi! Das ist nicht dasselbe.»
«Das stimmt.»
«Im Grunde ist Krieg nichts anderes als Instrumentalisierung, mitunter von Propaganda, zum Zwecke eigener Bereicherung. Darum ist es immer besser, sich von Streithähnen fernzuhalten, als sich einzumischen und selbst ein Auge auspicken zu lassen!»
«Findest du denn, die grossen und starken Länder der Welt hätten nichts gegen das Gaddafi-Regime unternehmen, sondern sich einfach zurückhalten sollen? Wer zusieht und die Hähne picken lässt, ist doch mitschuldig an ihrem Tod, denn das tragische Ende ist voraussehbar. Wegschauen ist feige!»
«Neutralität heisst nicht wegschauen, sondern wahren und sichern der eigenen Unabhängigkeit.»
«So kann man natürlich auch argumentieren.»
«Ach, der Weltfrieden ist ein grosser Wunsch der Menschheit. Aber seien wir ehrlich, einen solch paradiesischen Zustand erreichen zu können, ist unrealistisch. Es wird immer Menschen und Regime geben, die glauben, ihr Recht – oder das, was sie dafür halten – mit Gewalt erzwingen zu können. Mit dieser Haltung wird ein Krieg angezettelt oder zumindest in Kauf genommen! Darum glaube ich, dass es notwendig ist, sich – sofern möglich – zurückzuhalten und nicht in einer gemeinsamen Gewaltaktion die ganze Welt in Kummer zu stürzen! Im 20. Jahrhundert haben wir ja etliche Male erlebt, wie das aussehen und wozu das führen kann. Deswegen bin ich der Ansicht, dass die Politiker in der Heimat in erster Linie dafür zu sorgen haben, dass die Leute im eigenen Land beschützt sind.»
«Dann sollte künftig auf allen Wahlzetteln der Hinweis stehen: Darum prüfe, wer sich (vermutlich) ewig bindet!»
«Kein schlechter Vorschlag! Und ja, die Schweiz ist verdammt klein. Aber das ist auch gut so.»
 
 
 
 

Lebenstraum

Mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum,

mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum,

mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum,

mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum,

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mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum,

mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum,

mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum,

mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum,

mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum,

mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum,

mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum,

mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum, mein grösster Traum,

ist es, gegen Lebensende sagen zu können: Mein grösster Traum hat sich wirklich erfüllt,

denn all meine Entscheidungen waren richtig,

alle meine Taten waren umsichtig,

alle Erfahrungen waren wichtig

und Geld ist letztlich nichtig.

 

 

Das zuckersüsse Leben (gekürzte Fassung aus dem Buch (Un)sinn des Lebens)

Das Abendritual ist seit Monaten dasselbe: Nach erledigter Arbeit fläze ich mich vor den Fernseher und träume bei einer Rosamunde-Pilcher-DVD mit einer Schachtel Mini-Mohrenköpfen von der grossen Liebe. Wobei, Verzeihung, Mohrenköpfe darf man nicht mehr sagen. Ebenso wenig Negerküsse, wie die Deutschen sie zu nennen pflegten. Politisch unkorrekt, so heisst es. Aber wie sollte man das Dessert sonst nennen? Afroamerikanische Süssspeise vielleicht? Nein, klingt irgendwie lächerlich. Wie wäre hingegen die Umschreibung süsser Eischnee auf rundem Biskuitboden, umhüllt von einem dunklen Schokoladenmantel? Trifft die Sache zwar kompliziert, aber zumindest recht genau.
Nun, nach dem siebten Mini übermannt mich stets das schlechte Gewissen. Ich schaue an mir herunter und erkenne mit Bestürzung, dass sich mir mein Körper nicht nur tagtäglich, sondern vielmehr stündlich entfremdet: Die Hüften zu breit, der Bauch zu kugelig, die Beine zu massig.

Wenn ich zu vorgerückter Stunde in meinen gedanklichen Abgründen versinke, ruft meistens eine Freundin an, fragt nach meinem Befinden, ohne sich wirklich dafür zu interessieren, und beginnt mir ausführlich zu erklären, wie anspruchsvoll es doch sei, Kinder zu erziehen. Als Paradebeispiel nennt sie mir ihren Jüngsten, der kürzlich im Begriff gewesen sei, die halbe Wohnung abzufackeln, weil im Kindergarten gerade das Thema »Feuer« erörtert würde und die Kindergärtnerin erwähnt habe, dass man Feuer nur an geschützten Stellen und unter Aufsicht der Eltern machen dürfe. Das müsse der kleine Pascal irgendwie missverstanden haben. Anschliessend klagt sie mir über ihren Göttergatten, der, nachdem sie ihn wegen eines Seitensprungs mit einer Verkäuferin bei Mc Donald’s vor die Tür gesetzt hatte, ihr versprochen habe, künftig die Finger von Fastfood zu lassen und somit auch von der Verkäuferin. Deshalb habe sie ihn wieder in ihr Bett gelassen und sei nun schwanger. 
Nach solchen Telefonaten bin ich froh und dankbar, unverheiratet zu sein. Beziehungen sind nämlich anstrengend, wahrlich eine Qual, weil in letzter und absoluter Konsequenz aus Verliebtheit tatsächlich Liebe entstehen kann. Gefährlich! Liebe ist unberechenbar - und eines Tages ebbt die Leidenschaft ab, Zuneigung wendet sich in Eifersucht, Misstrauen wächst, und das, was die Verliebtheit dankbar ignorierte, weicht zuletzt einer unschönen Realität. Damit stehen sich am Ende – also nach gut drei Monaten – zwei Menschen gegenüber, die so gar nichts mehr miteinander verbindet, weil es während der ganzen Zeit nie zu einer wirklichen emotionalen Annäherung, Öffnung und Nähe gekommen ist. Ausser beim Sex.

Wenn ich also nach einem langweiligen Fernsehabend die Schachtel mit den 24 Minis – dem süssen Eischnee auf rundem Biskuitboden, umhüllt von einem dunklen Schokoladenmantel – vertilgt habe, begebe ich mich zu Bett, weil ich es nicht mehr ertragen kann, den inneren Widerstand hinsichtlich des süssen Eischnees auf rundem Biskuitboden, umhüllt von einem dunklen Schokoladenmantel gebrochen zu haben. Deshalb beende ich den Tag, lösche das Licht, kuschle mich unter die Decke und träume von einem Haus am Strand, lachenden Kindern, einem gut aussehenden Mann und einer Rosamunde-Pilcher-Stimmung.
Und am nächsten Morgen? Da erwache ich panisch und gehetzt, weil ich den Wecker nach dem siebenundzwanzigsten Klingeln wieder nicht gehört, stattdessen verschlafen habe und mich beeilen muss, noch rechtzeitig zur vereinbarten Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung zu kommen.

 

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